Als besonderes Novum präsentieren wir 2011 erstmals 3 bedeutende Personen aus den Bereichen Theologie, Politik und Sport, in denen das Thema Homophobie aktuell ist.
Tanja Walther-Ahrens
Von vielen Seiten wird behauptet, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität im Sport ganz allgemein und im Fußball im Besonderen noch nicht angekommen ist. Da stellt sich Frage: Ist das tatsächlich so? Oder ist die gesellschaftliche Akzeptanz vielleicht gar nicht so hoch wie angenommen? Gibt es in der Politik nur eine Handvoll Schwule und gar keine Lesbe in den Führungsebenen? In den Medien gibt es homosexuelle KomikerInnen, eine lesbische Moderatorin und sonst? Wo sind die offen lesbisch und schwul lebenden ManagerInnen der Top Wirtschaftsunternehmen? Was ist mit all den Lesben und Schwulen, die sich nicht trauen, sich an ihrem Arbeitsplatz zu outen, weil sie befürchten, die Kollegen und Kolleginnen oder die Chefetage legen ihnen dann Steine in den Weg? Warum fällt es Homosexuellen auch im Jahr 2011 immer noch schwer sich im Familien- und Freundeskreis zu outen, wenn doch alle so tolerant sind?
Meiner Einschätzung nach ist die Situation von Homosexuellen im Sport nicht „schlimmer“ als im großen Rest der Gesellschaft. Sport und ganz besonders Fußball ist jedoch ein sehr prominenter Lebensbereich mit einem hohen Stellenwert. Daher ist es besonders wichtig, dass Lesben, Schwule und Trans im Sport sichtbar sind und die vielfältigen Formen der Homophobie, d.h. der Feindlichkeit und Diskriminierung gegenüber Homosexuellen, bewusst gemacht werden.
So lange Sponsoren und Medien sich gegenseitig außerhalb der Öffentlichkeit fragen „Warum um Himmels Willen macht ihr denn Frauenfußball. Die Lesben will doch keiner sehen!“ Und die Suche nach dem ersten schwulen Fußballer mehr einer Jagd als allem anderen gleicht, ist die Lösung auf keinen Fall die Fußballerinnen weiblicher zu machen und die Fußballer verstummen zu lassen. Fußball ist das liebste Spiel aller Deutschen, egal ob Mann ob Frau, ob Homo oder Hetero, es bietet sich also an, diese Wirkungskraft zu nutzen und sie auf andere Sportorganisationen und -arten auszudehnen.
Der im Mai 2011 ausgegebenen Devise der Fans des FC Sachsen Leipzig als Schriftzug auf T-Shirts: „Fußball bleibt homofrei!“ bleibt nur entgegen zu halten: Homophobie ist heilbar!!!!
In diesem Sinne wünsche ich einen politischen, bunten, vielfältigen, aufregenden und vor allem freudvollen CSD 2011!
Ihre Tanja Walther-Ahrens
Dr. David Berger
„Homophobie ist heilbar“ ist auch in diesem Jahr wieder die Botschaft, die der Leipziger CSD zu seinem Motto gemacht hat. Dies scheint gerade in diesem Jahr besonders angebracht. Wird doch in wenigen Wochen unter dem fast ungeteilten Jubel vieler Politiker und einflussreicher Medien ein Papst in Deutschland zu einem Staatsbesuch erwartet, der alle seine Vorgänger im Hinblick auf die Homophobie im negativen Sinne weit überragt. Unter seiner Führung ist in der katholischen Kirche ein Klima der homophob motivierten Angst, Unterdrückung und Erpressung entstanden, das seinesgleichen in ganz Europa vergeblich sucht. Daher habe ich – gerade als schwuler katholischer Theologe – die Einladung gerne angenommen, die Schirmherrschaft für diesen CSD zu übernehmen.
Der Blick auf die katholische Kirche sollte uns allerdings nicht vergessen lassen, dass die Homophobie auch in anderen Bereichen immer noch wie selbstverständlich vor sich hinwuchert: Man denke nur an die muslimischen Hassprediger und die homophoben Übergiffe, die sie auslösen. Man denke an die gemäßigtere, aber nicht zu unterschätzende Homophobie im Sport, besonders dem Männerfußball, in bestimmten Formen einer rückwärtsgewandten Politik, im Schul- und Erziehungsbereich usw. Kaum einer unter uns, der nicht schon die eine oder andere aus Homophobie herrührende böse Erfahrung hat machen müssen.
Dennoch kann man insgesamt erleichtert feststellen, dass die Homophobie in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist. Dies hat wissenschaftlich nachweisbar vor allem einen Grund: das selbstbewusste Sichtbarwerden von Schwulen und Lesben in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Das Sichtbarwerden nicht nur von einigen Politikern und Showgrößen – sondern noch viel wichtiger von ganz normalen Menschen in ihrem Alltags- und Berufsleben. Aber dieses unverzichtbare Sichtbarwerden geschieht eben auch durch eine und auf einer Veranstaltung wie dem CSD. Ein CSD, mit dem wir unmissverständlich und unübersehbar ein politisch-gesellschaftliches Signal gegen alle Formen der Homophobie setzen. Ein CSD, auf dem wir auch durch Spaß, Freude und Feiern unserem Selbstbewusstsein eine besondere Ausdrucksform geben. Ein CSD, wo wir auch innerhalb unserer Community Vielfalt zulassen und zeigen und so den Stereotypen und Vorurteilen Paroli bieten, von denen sich alle Homophobie nährt.
Von dem großen Philosophen und Aufklärer G.E. Lessing stammt das schöne Kompliment, in Leipzig könne man, die „ganze Welt im Kleinen sehen“. In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmern einen gelungenen CSD Leipzig 2011, der uns die ganze lesbisch-schwule Welt sehen lässt. Möge auch in diesem Jahr von Leipzig ein unüberhörbares und nachhaltig wirksames Signal gegen alle Formen der Homophobie ausgehen.
Ihr Dr. David Berger
Wolfgang Tiefensee
Liebe Besucherinnen und Besucher des Christopher-Street-Days Leipzig, als Schirmherr, stellvertretend für den Bereich Politik, freue ich mich über ihr Interesse am CSD Leipzig.Der CSD in Leipzig ist mittlerweile zu einer kleinen Tradition geworden, der durch seinen besonderen Schwerpunkt auf die politische Botschaft, weit über Leipzig hinaus bekannt geworden ist.
Wenn am 9. Juli wieder tausende Menschen unter dem Motto „Homophobie ist heilbar“ demonstrierend durch die Leipziger Innenstadt ziehen, wird dies auch in Dresden und Berlin wahrgenommen werden.
Und das ist leider nach wie vor nötig. Denn auch 17 Jahre nach der endgültigen Abschaffung des Paragraphen 175, 5 Jahre nach der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und im 10. Jahr der Einführung
des Lebenspartnerschaftsgesetzes, ist die rechtliche Gleichstellung zwischen Homo- und heterosexuellen Paaren nicht erreicht. In verschiedenen Bundesgesetzen und in 35 Landesgesetzen werden in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Paare nach wie vor gegenüber verheirateten Paaren benachteiligt.
Dabei sollte doch gelten: Gleiche Liebe = gleiche Rechte!
Auch die Erweiterung des Artikels 3 GG um das Merkmal der sexuellen Identität ist längst überfällig.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür beim CSD Leipzig Flagge zeigen.
Ich freue mich nun auf spannende Gespräche auf dem Straßenfest mit ihnen
und wünsche uns allen einen erfolgreichen Christopher-Street- Day 2011.
Ihr Wolfgang Tiefensee