Forderungen
Die CSD-Bewegung in Leipzig ist politisch!
11. Der CSD Leipzig steht für eine queer-inklusive Medizin!
Die Gesundheitsversorgung von queeren Menschen in Deutschland und besonders in Sachsen ist lückenhaft und barrierereich. In der medizinischen Aus- und Weiterbildung kommen sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten kaum oder nur als Abweichung bzw. als psychische Störungen vor. So versuchen einige Therapeuten nach wie vor queere Menschen mit der sogenannten “Konversionstherapie” zu heilen. Queere Menschen weisen außerdem einen spezifischen, medizinischen Bedarf auf, dem bei Weitem nicht nachgekommen wird. So gibt es beispielsweise bis heute keine Standardisierung und Qualifizierung von Transchirurgie bzw. -medizin oder Langzeitstudien zur Wirkung von Hormontherapien.
12. Der CSD Leipzig fordert eine Gleichbehandlung bei der Blutspende!
Seit Jahren melden die Blutspendezentren regelmäßig, dass in Deutschland zu wenig Blut gespendet wird. Insbesondere seltene Blutgruppen sind knapp. Dennoch schränkt die Bundesärztekammer in ihrer Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie) bestimmte Bevölkerungsgruppen ein bzw. stellt ihre Möglichkeit Blut zu spenden zeitweise zurück.
Zwar wurde die Richtlinie im Herbst 2021 aufgeweicht, jedoch enthält sie weiterhin diskriminierende Elemente.
In Ziffer 2.2.4.3.2.2 werden die Kriterien für eine Rückstellung wie folgt bezeichnet:
„Zeitlich begrenzt von der Spende zurückzustellen sind Personen mit einem Sexualverhalten, das ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt, für 4 Monate:
- Sexualverkehr zwischen Frau und Mann mit häufig wechselnden Partnern/Partnerinnen,
- Sexualverkehr einer Transperson mit häufig wechselnden Partnern/Partnerinnen,
- Sexualverkehr zwischen Männern (MSM) mit einem neuen Sexualpartner oder mehr als einem Sexualpartner,
- Sexarbeit,
- Sexualverkehr mit einer Person mit einer der vorgenannten Verhaltensweisen,
- Sexualverkehr mit einer Person, die mit HBV, HCV oder HIV infiziert ist,
[…]“
Durch diese Regelung werden Männer*, die Sex mit Männern* haben (MSM), in der Möglichkeit Blut zu spenden mehr eingeschränkt als heterosexuelle Menschen. Es sei denn, sie würden auf neue Sexualkontakte mit anderen Männern* oder mit mehreren Männern* (gilt auch für polyamouröse Beziehungen) für 4 Monate verzichten. Für heterosexuelle Singles hingegen gilt diese Regelung nur bei „häufig wechselnden“ Partner:innen. Definiert wird „häufig wechselnd“ jedoch im Gegensatz zu MSM nicht.
Neben dem werden auch in der Sexarbeit tätige Menschen durch diese Regelung von der Möglichkeit Blut zu spenden ausgeschlossen. Unabhängig von der Art der Sexarbeit oder dem individuellen Risiko findet hierbei ein pauschaler Ausschluss statt.
Statt homo- und bisexuellen Männern* sowie Sexarbeitenden pauschal ein riskanteres Sexualverhalten zu attestieren, sollte die Bundesärztekammer Rückstellungen von der Möglichkeit Blut zu spenden allein nach dem individuellen Risikoverhalten der Spendenden vornehmen, unabhängig von deren sexueller Orientierung oder stigmatisierender Zuschreibungen.
Auch werden Menschen die Sex mit Menschen mit HIV haben von der Blutspende ausgeschlossen. Eine Differenzierung findet nicht statt, obwohl Menschen mit HIV die mit einer antiretroviralen Therapie behandelt werden und unterhalb der Nachweisgrenze liegen HIV nicht weitergeben können.
Warum trans Menschen in Punkt 2.2.4.3.2.2 außerdem gesondert aufgeführt werden obwohl für sie auch nur die Regelung „häufig wechselnde“ Sexualpartner:innen gilt, erschließt sich nicht und ist zudem diskriminierend!
Quellen:
https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/ RiliH_Lese.pdf https://www.aidshilfe.de/diskriminierung-schwulen-bisexuellen-maennern-blutspende https://www.queer.de/detail.php?article_id=36332 https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/blutkonserven-werden-knapp-blutspende-coronakrise-100.html https://www.queer.de/detail.php?article_id=37744 https://www.queer.de/detail.php?article_id=35840 https://www.queer.de/detail.php?article_id=36078
https://www.aidshilfe.de/schutz-therapie
13. Der CSD fordert in komplettes Verbot von Konversions”therapien”!
Konversions„therapien“ dienen der vermeintlichen „Heilung“ von Homosexualität und trans- oder intergeschlechtlicher Identitäten. Den Begriff der Therapie lehnen wir für diese Form der Behandlungen ab, da er intendiert, dass es etwas zu therapieren gäbe. Homosexualität, Trans- und Intergeschlechtlichkeit sind jedoch keine Krankheiten, die geheilt werden müssten. Vielmehr sorgen diese Behandlungen für massives seelisches und körperliches Leid.
Wir begrüßen daher das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) vom 12.06.2020 und insbesondere das Werbeverbot für solche Behandlungen. Das enthaltene Durchführungsverbot geht uns jedoch nicht weit genug.
Verboten werden in § 2 KonvBehSchG Konversionsbehandlungen an unter 18-Jährigen und Behandlungen von “Personen, die zwar das 18. Lebensjahr vollendet haben, deren Einwilligung zur Durchführung der Konversionsbehandlung aber auf einem Willensmangel beruht” (§ 2 Abs. 2 KonvBehSchG).
Durch diese Formulierung wird der Umgehung des Verbotes durch Kleingedrucktes, Täuschung etc. weiterhin Tür und Tor geöffnet. Zudem bedürfen neben den Jugendlichen/Minderjährigen auch junge volljährige Menschen zwischen 18 und 27 Jahren einen besonderen Schutz vor solchen “Therapien”. Denn mit der gesetzlichen Volljährigkeit tritt nicht gleichzeitig auch zwangsläufig die vollwertige persönliche Reife und Stabilität ein. Diese Personengruppe ist besonders anfällig für vermeintliche Heilsversprechen.
In § 5 KonvBehSchG wird für die Durchführung von Konversionsbehandlungen trotz Verbotes eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr angedroht. Auch Eltern können sich strafbar machen. So heißt es in Absatz 2, dass die Strafvorschrift “nicht auf Personen anzuwenden [ist], die als Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich verletzen.” In unseren Augen verletzt jede fürsorgeberechtigte oder erziehungsberechtigte Person ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich, wenn sie einem Menschen eine solche “Therapie” antut.
Die menschenverachtenden Konversion”therapien” bzw. Konversionsbehandlungen gehören nach unserer Auffassung gänzlich verboten, ohne Ausnahme.
Quelle: Bundesgesetzblatt 2020, Blatt 1285 f.
14. Der CSD Leipzig fordert für jeden Menschen in Deutschland mindestens einmal jährlich kostenfreie Tests auf sexuell übertragbare Infektionen (STI).
In den letzten Jahren ist zu verzeichnen, dass die HIV-Erstdiagnosen in Deutschland leicht rückläufig sind. Die Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen steigen jedoch an. Zur Eindämmung der Verbreitung von STI sind dabei niedrigschwellige Möglichkeiten zum Testen sowie ein Zugang zum Gesundheitssystem unerlässlich.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlicht seit einigen Jahren Plakatkampagnen zu sexuell übertragbaren Infektionen (STI). Auf ihnen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, Kondome zu benutzen, um das Risiko, sich mit einer STI anzustecken, zu mindern bzw. bei Symptomen, die auf eine STI hinweisen, eine:n Ärzt:in aufzusuchen. (https://www.bzga.de/infomaterialien/hivsti-praevention/ liebesleben-kampagne/liebesleben-plakate/)
Bei Symptomen gibt es für die Ärzt:innen eine eindeutige Indikation für einen Test und die Krankenkassen übernehmen die Kosten. In aufgeklärten Ärzt:innen-Praxen ist es üblich, eine ausführliche Sexualanamnese zu erstellen. Aus den Ergebnissen, wie z.B. sexuelle Praktiken und Anzahl der Sexpartner:innen, wird der:die behandelnde Ärzt:in ein angemessenes Screening bestimmter STI durchführen, um auch asymptomatische STI erkennen und behandeln zu können. Auch in diesen Fällen übernehmen die Krankenkassen die anfallenden Kosten.
Viele STI verursachen keine oder kaum Symptome, so dass es an einer Indikation fehlt und die Krankenkassen eine Kostenübernahme ablehnen können. Selbiges gilt für Routinetests für Menschen mit mehreren Sexpartner:innen im Jahr und ohne Symptome. Wenn die Krankenkassen diese Kosten nicht übernehmen, trägt sie der:die Patient:in selbst.
Anonyme HIV-Labortests bzw. Screenings auf weitere STI bieten die Beratungsstellen für Aids und STI der Gesundheitsämter hauptsächlich für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und Sexarbeitende an.
Die COVID-19 Pandemie zeigte jedoch hier die Schwachstelle dieses Systems. Durch die Bindung sämtlichen Personals der örtlichen Gesundheitsämter zur Pandemiebekämpfung, wurden die Testmöglichkeiten für STI über Monate komplett und ersatzlos eingestellt.
Viele Aidshilfen bzw. Checkpoints in Deutschland (https://www.aidshilfe.de/adressen) bieten zwar ebenfalls anonyme HIV-Tests bzw. Tests auf weitere STI an, können den Bedarf jedoch nicht decken.
Somit blieb Menschen, die sich auf STI testen lassen wollten, nur die Möglichkeit eines ärztlichen oder Labortests. Diese Tests sind nicht anonym und werden in den geschilderten Konstellationen von den Krankenkassen nicht übernommen, sodass sich Menschen möglicherweise nicht testen lassen, aus Furcht vor den Kosten.
Daher fordern wir, dass allen Menschen in Deutschland, neben den eventuell vorhandenen Angeboten der Gesundheitsämter, jährlich mindestens ein von den Krankenkassen (sowohl GKV als auch PKV) übernommenes Screening auf sexuell übertragbare Infektionen zur Verfügung stehen muss.
15. Der CSD Leipzig fordert das Ende von Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV!
Menschen mit HIV haben heute eine normale Lebenserwartung mit einer guten Lebensqualität. Ihnen steht eine hochwirksame antiretrovirale Therapie zur Verfügung, die Aids verhindert, sodass niemand mehr an den Folgen einer unbehandelten HIV-Infektion sterben muss. Eine wirksame HIV-Therapie schützt auch ihre Sexualpartner:innen vor einer HIV-Infektion, das heißt Menschen mit HIV geben dieses auch beim Sex ohne Kondom nicht weiter. Ebenso kann ein Kinderwunsch auf natürlichem Wege erfüllt werden, denn unter einer HIV-Therapie können gesunde Kinder geboren werden.
Möglichkeiten sich vor einer HIV-Infektion zu schützen, sind neben dem Kondom, der Schutz durch Therapie und die Einnahme von Medikamenten vor einem HIV-Risiko (PrEP). Eine außergewöhnliche medizinische Entwicklung: Von der tödlichen Bedrohung zur gut behandelbaren chronischen Infektion!
Trotzdem werden Menschen mit HIV auch heute noch diskriminiert und ausgeschlossen, wie die aktuelle Studie „Positive Stimmen 2.0“ der Deutschen Aidshilfe (DAH) zeigt. So zum Beispiel von potenziellen (Sexual-)Partner:innen, am Arbeitsplatz, beim Besuch von Ärzt:innen und im persönlichen Umfeld. Die Gründe hierfür sind vielfältig und beruhen oft auf Fehlinformationen und Vorurteilen.
Ein aktuelles Beispiel ist der völlig unverständliche Ausschluss von Menschen mit HIV aus dem Polizeidienst der sächsischen Polizei. Laut einer kleinen Anfrage an den Sächsischen Landtag im April 2022 (Drucksache Nr. 7/9350) sind Bewerber:innen mit HIV für den Polizeidienst nicht geeignet.
Eine Stigmatisierung auf Grund einer HIV-Infektion betrifft vor allem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), aber auch drogengebrauchende und in der Sexarbeit tätige Menschen sowie Menschen mit Fluchterfahrung. Eine Stigmatisierung erfolgt auch innerhalb der queeren Szene. Dabei wird Menschen mit HIV bspw. eine Sorg- bzw. Verantwortungslosigkeit unterstellt. Doch Verantwortung kann nur jeder Mensch für sich selbst übernehmen. Menschen mit HIV sind dafür nicht allein verantwortlich, sondern alle am Sex beteiligten.
Diskriminierung und Stigmatisierung führt dazu, dass Menschen mit HIV überdurchschnittlich oft psychisch erkranken. Außerdem hält die Angst vor Ausgrenzung Menschen davon ab, sich auf HIV testen zu lassen.
Der CSD Leipzig macht sich deshalb stark für eine umfassende Aufklärung über Safer Sex, für realistische Bilder vom Leben mit HIV und dessen Veränderung in den letzten 20 Jahren sowie für Antidiskriminierungsarbeit zu diesem Thema.
https://hiv-diskriminierung.de/
https://hiv-diskriminierung.de/positive-stimmen-20
https://www.aidshilfe.de/meldung/studie-diskriminierung-macht-vielen-menschen-hiv-leben-schwer
16. Der CSD Leipzig fordert, dass Asexualtität als gleichwertige sexuelle Orientierung neben anderer queerer und Heterosexualität anerkannt wird und gesellschaftliche Sichtbarkeit sowie eine politische Interessenvertretung geschaffen wird!
Asexualität ist eine Form der sexuellen Orientierung und beschreibt Menschen, die keine oder nur eine geringe sexuelle Anziehung zu anderen Menschen haben. In einer derart sexualisierten Gesellschaft, in der wir aktuell leben, werden Menschen, die wenig oder kein sexuelles Begehren empfinden und nicht darunter leiden, schnell als krankhaft bewertet oder sie verschwinden in der Unsichtbarkeit. In der Mehrheitsgesellschaft erscheint die Auffassung, dass jeder Mensch Sex haben muss und Personen, die davon abweichen, werden als mangelhaft oder als nicht ernstzunehmend gesehen.
17. Der CSD Leipzig fordert mehr lesbische Sichtbarkeit!
Auf Grund dessen, dass sich heute mehrere Generationen in einer toleranteren Gesellschaft offen zeigen können, hätte es über die Jahre eine steigende lesbische Präsenz geben müssen. Wenn von Homosexuellen gesprochen wird, dann werden Lesben „mitgemeint“, da schwule Männer häufig Bild und Themen dominieren. Auch in der queeren Community spiegelt sich die allgemeine Gesellschaft wider. Lesbische Frauen müssen sich wie alle anderen Frauen eigenständige Beachtung, sprachliche Benennung und politische Relevanz immer neu erkämpfen. Der CSD Leipzig arbeitet darauf hin, der lesbischen Lebensweise mehr Öffentlichkeit zu geben.
18. Der CSD fordert die gleichwertige Anerkennung von Bi-/Pansexualität neben anderen sexuellen und romantischen Orientierungen und setzt sich für die Sichtbarmachung spezifischer Diskriminierung bi-/pansexueller Menschen ein!
„Das ist nur eine Phase.“ „Du traust dich nicht, dich RICHTIG zu outen.“ „Nie mit bi.“ – Bi-Menschen sind spezifischen Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt, die einerseits durch die Mehrheitsgesellschaft, andererseits durch die queere Community selbst ausgeübt werden.
Ein weiteres Problem von Bi-Menschen ist ihre Unsichtbarkeit. Ihre sexuelle Verortung durch Andere erfolgt immer in Abhängigkeit zum Geschlecht der jeweiligen Partner:innen. Durch diese Zuordnung von außen resultiert unter anderem ein permanenter Rechtfertigungsdruck. Zahlen belegen, dass durch diese produzierten Ausschlüsse Bi-/Pansexuelle eine höhere Depressions- und Suizidquote aufweisen als Homosexuelle.
Wir fordern daher öffentliche Aufklärungs- und Bildungsangebote, die das Ziel verfolgen, Sichtbarkeit für bi-/pansexuelle Lebensrealitäten zu schaffen und Vorurteile zu reflektieren. Darüber hinaus fordern wir die Community selbst auf, ausgrenzendes Verhalten zu diskutieren und abzulegen.
19. Der CSD Leipzig unterstützt die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen und fordert daher die Schaffung von Barrierefreiheit.
Menschen mit Beeinträchtigung werden zu großen Teilen durch Barrieren und fehlende gesellschaftliche Zugänge in ihrer Selbstbestimmung und Lebensführung eingeschränkt. Hiervon können Menschen jeglicher Sexualität oder geschlechtlichen Identität betroffen sein, die entsprechend mehrfach diskriminiert sind — auch innerhalb der queeren Community. Da diese Barrieren vermeidbar sind und verändert werden können, fordern wir als CSD Leipzig, durch Schaffung von mehr Barrierefreiheit für diese Menschen im besonderen von der Stadt Leipzig, als Vorbildfunktion, z.B. durch den Ausbau von barrierefreien Haltestellen des ÖPNV und einen flächendeckenden Ausbau des Blindenleitsystems damit uns auch Menschen mit Behinderung erreichen und am CSD teilnehmen können.
20. Der CSD Leipzig fordert, dass die Vielfalt sexueller Identitäten auch im Alter frei von Diskriminierung gelebt werden kann. Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen müssen ein Thema in der Pflege sein!
Ältere queere Menschen gehören zu einer besonders verletzlichen Personengruppe, weil sie Zeiten durchlebt haben, in denen sie weitaus unterdrückenderen gesellschaftlichen Verhältnissen ausgesetzt waren, als wir es heutzutage gewohnt sind. Dies führte häufig dazu, dass viele nie ein Coming-Out gewagt haben oder lange Zeit, manchmal auch immer, ein Doppelleben führen mussten. Für diejenigen die doch ein Coming-Out wagten, war das Abwenden der (Herkunfts-)Familie und Freund*innen und/oder der Verlust des Arbeitsplatzes, Kriminalisierung und daraus resultierend soziale Isolation keine Seltenheit. Dies führte dazu, dass viele der Älteren heute zurückgezogen leben und im Falle einer Pflegebedürftigkeit, große Sorgen und Ängste bestehen, durch andere Bewohner:innen von stationären Wohneinrichtungen, aber auch durch die Pflegekräfte (mobil oder stationär), diskriminiert zu werden. Diese Sorgen sind durchaus berechtigt, denn zu berücksichtigen ist, dass Sexualität an sich und besonders sexuelle Orientierungen und/oder geschlechtliche Identitäten selten bis nie Themen in der Altenpflege sind und deshalb völlig aus dem Blick geraten.
21. Der CSD Leipzig macht sich stark für Lebens- und Familienformen abseits der Norm und fordert die rechtliche sowie gesellschaftliche Anerkennung und einen respektvollen Umgang mit ihnen!
Schwarz-Weiß-Denken gilt es zu hinterfragen und zu überwinden! Die Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Lebens- und Familienformen sowie aller Geschlechtlichkeiten sollte das Ziel sein. Mit der sogenannten „Ehe für Alle“ ist das Ziel nicht erreicht. Vielmehr geht es darum weitere Familienverhältnisse anzuerkennen und einen Rechtsstatus zu schaffen, der allen Menschen offen steht – beispielsweise für Mehrfachelternschaft. Außerdem stehen wir für die Abschaffung des Ehegattensplittings und die Einführung eines „Familiensplittings“, denn Familie findet dort statt, wo Menschen für Kinder und einander Verantwortung übernehmen und muss unterstützt werden.
22. Der CSD Leipzig fordert eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung in Gender- und Sexualpädagogik für alle relevanten Berufsbilder an Sächsischen Hochschulen, Universitäten und Berufsschulen!
Unkenntnis und Vorurteile gegenüber queeren Menschen, stellen eine wesentliche Triebfeder für Diskriminierungen bis hin zu Gewaltdelikten dar. Dies kann sich nur durch umfassende Aufklärungs-, Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit verändern. In Forschung und Lehre erfährt der Themenkomplex „sexuelle Identitäten“ kaum Beachtung. Eine moderne, aufgeklärte und lebensweltbezogene sexuelle Bildung ist für Studierende an Sächsischen Hochschulen nicht zugänglich, findet jedoch ihre Entsprechung in den Lehrplänen der sächsischen Schulen und in der Vorschulbildung. Dieser Widerspruch führt dazu, dass Sexualpädagogik im Unterricht nicht stattfindet. Geschlechtliche Vielfalt sollte in der Ausbildung von allen erzieherischen, lehrenden, sozialpädagogischen, therapeutischen und medizinischen Berufen verankert sein.
23. Der CSD Leipzig fordert das Sächsische Kultusministerium auf den Orientierungsrahmen für die Familien- und Sexualerziehung an sächsischen Schulen zu aktualisieren und dessen Umsetzung zu überprüfen!
Seit August 2016 schreibt der Orientierungsrahmen u.a. einen fächerverbindenden Unterricht für die Familien- und Sexualerziehung als schulische Aufgabe vor. Ziel ist es, die individuelle Entwicklung und das Zusammenleben zu fördern. Der Unterricht soll dabei nicht nur wissenschaftliche Fragestellungen erörtern, sondern die Behandlung einer Vielzahl von ethischen, sozialen und kulturellen Fragen gewährleisten. Dies soll in den allgemeinbildenden Schulen in verschiedenen Unterrichtsfächern übergreifend und in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partner:innen erfolgen.
Die Umsetzung dieses Orientierungsrahmens ist jedoch lückenhaft. So kommen an sächsischen Schulen queere Identitäten praktisch nicht vor. Im Geschichtsunterreicht werden bei der Thematisierung des Nationalsozialismus die Opfer mit dem rosa Winkel und dem schwarzen Winkel ausgeblendet. Im Deutschunterricht wird die sexuelle Orientierung der Autor:innen nicht benannt, obwohl diese das Werk prägte. Außerdem ist die Durchführung von Projekten zur Bildung der sexuellen Selbstbestimmung nicht überall gewährleistet.
Der Orientierungsrahmen in der aktuellen Fassung greift Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt unzureichend auf.Die Förderung von Ehe und Familie sollte der Lebenswirklichkeit Rechnung tragen und sowohl Patchwork als auch Regenbogenfamilien abbilden bzw. einbeziehen.
Die Schule ist eine wichtige Institution, welche die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen entscheidend beeinflusst. Daher ist es nicht nur wichtig, dass die Durchführung von Angeboten zur Bildung der sexuellen Selbstbestimmung (z.B. durch Angebote der sexuellen Bildung) gegeben ist, sondern auch die Sichtbarkeit sowie Perspektiven queerer Lebensweisen gewährleistet sind und die Schüler:innen in ihrer individuellen Sexualität angemessen gefördert werden.
Der CSD Leipzig fordert daher die Aktualisierung des Orientierungsrahmens am Vorbild Berlin/Brandenburg sowie eine konsequente Überprüfung der Durchführung dessen.
24. Der CSD Leipzig fordert, dass Menschen nicht für ihr Sexualverhalten (Art, Weise und Häufigkeit) diskriminiert werden!
Das Sexualverhalten als Teil des Sozialverhaltens ist bei jedem Menschen individuell. Es gibt also nicht das eine Sexualverhalten. Der Mensch kann bewusst in der Bandbreite zwischen völliger sexueller Enthaltsamkeit und permanenter Ausschweifung wählen. Menschen, die häufig oder mit vielen wechselnden Partner:innen Sex haben, werden oftmals abgewertet. Ebenso werden Menschen, die Fetisch-Neigungen ausleben als „pervers“ bezeichnet und Menschen, die in polyamourösen Beziehungen leben, wird unterstellt, es ginge dabei nur um Sex. Auch Homosexuellen wird in Bezug auf ihre Sexualpraktiken unterstellt, Schwule seien „pervers“, während Lesben keinen „richtigen Sex“ praktizieren.
Unsere Forderung ist daher klar und eindeutig: Das muss aufhören. Jede Person sollte sich auf sich und ihr eigenes Leben konzentrieren und mit sich im Reinen sein. Denn schließlich zählt nur eins: zufrieden und glücklich zu sein.
Wir setzen voraus, dass das hier genannte Sexualverhalten im gemeinsamen Einverständnis der Sexualpartner:innen geschieht.
25. Der CSD Leipzig fordert mehr Toleranz und Respekt innerhalb der queeren Community!
Während beim CSD ein großes Augenmerk auf Forderungen gelegt wird, welche die Gesamtgesellschaft betreffen, sollten wir nicht vergessen, dass auch wir Teil dieser Gesellschaft sind. Denn auch innerhalb der queeren Community sind Ausgrenzung und Intoleranz alltägliche Probleme. Sexismus, Rassismus, Klassismus und Transfeindlichkeit, ebenso wie Diskriminierung auf Grund des optischen Erscheinungsbildes, des Alters und wegen vieler weiterer Eigenschaften sind leider auch in unseren Reihen allgegenwärtig. Der Stonewall-Aufstand im Jahr 1969 brachte eine Bewegung ins Rollen, bei der queere Menschen als geschlossene Gruppe auf die Straße gingen und für ihre gemeinsamen Rechte einstanden. Im Geiste dieses Gedankens sollten wir uns wieder mehr darauf besinnen, dass unsere Community vielfältig ist und uns selbst sensibilisieren, neben der Akzeptanz, die wir nach außen hin fordern, nicht den Wert des Zusammenhaltes innerhalb der Community zu vergessen. Denn nur gemeinsam sind wir stark! Deshalb beruft sich der CSD darauf, diese Werte wieder mehr in den Vordergrund zu stellen und erwartet mehr Respekt und Akzeptanz im Umgang miteinander!
Fragen oder Anmerkungen? Dann schreib uns!